Die Familiengeschichte der Obermair
“Tonibauer“ aus Essenbach
Aus dem ‘Amper Boten,’ einer Dachauer Zeitung
vom 14 April 1936, geschrieben von Simon Hutter
Ein Hort der Geschlechter und der wahren Kultur ist der Bauer. Nicht wie ein bloßer Schatten gehen unsere Geschlechter über die Erde dahin, die kommen und gehen, als wäre nichts geschehen. Nein sie treiben Wurzeln in den Boden, auf dem sie stehen und leben und saugen Nahrung aus ihm und teilen ihm selber mit von ihrem Wesen; sie hinterlassen auf ihm die Spuren ihres Daseins, in denen sie doch geheimnisvoll weiterleben.
Und je älter ein Geschlecht, ein Volk wird, je länger es mit dem Boden verwächst, um so fester, um so heiliger wird dieses Land, und seine Not, wenn sie auch noch so groß sein mag, kann es mehr zerreißen. Die Menschen bindet ein stiller, ahnungsvoller Trieb an die Stätten wo sie in ihrer Kindheit gespielt, ihre Jugend verbracht, wo ihre Eltern gelebt und gearbeitet haben, wo ihre Vorväter schaffen und wohnten. Wir glauben an die Heimat, an die stille bildende Gewalt alles dessen, was Gott nur langsam wachsen und in sich wandeln läßt auf Erden, wie den Boden eines Landes und das Wesen eines Volkes. Neue Formen ringen um das Leben, neue Gestalten treten hervor; Deutschland muß Deutschland bleiben, solange die Erde zwischen den Alpen und dem Meere vom Wiesen und Wäldern grünt und Menschen deutschen Blutes auf ihr leben. So stehen wir fest zu unserer Fahne im neuen Reiche und halten fest an der Heimat.
Der Begriff Heimat ist nicht so eng umschrieben wie beispielsweise die Grenzen eines Staates. Der Landmann stellt sich deshalb unter Heimat ganz etwas anderes vor als der Großstädter. Das Dorf inmitten von Wald, Acker und Wiesen, oft eingesäumt von Berg und Hügel, ist für den Bauersmann Heimat. Der Sohn der Berge versteht unter Heimat die Höhen und Niederungen seiner Umgebung mit ihren wechselvollen Horizonten; die Bewohner der Ebenen und Meeresküsten schauen im heimatlichen Sehnen bis zu jenem Punkte, wo sich scheinbar in der Ferne Himmel und Erde berühren.
Es sind hohe heilige Seelenwerte, die aus dem Worte Heimat erklingen. Die mit zunehmender Kraft sich entfaltende Heimatbewegung braucht Kulturwerte nicht von außen her zu nehmen; überall sind sie in ihrer Umgebung zu finden; in der Geschichte von Haus und Hof, am Boden, an der Kunst der engeren Heimat, im Brauchtum, im Wort und Lied und in der Abstammung. Alles was wir von unseren Vätern ererbt haben ist Kultur, nur muß es richtig gezeigt werden in der Geschlechterfolge, es ist Kultur der Ahnentreue und des seßhaften verbundenen Familien-Anerbhofes.
Es ist schon viel über bäuerlichen Adel geschrieben und gesprochen worden unter besonderer Berücksichtigung von Bayern; so auch speziell vom Dachauer Bezirk. Eine große Reihe alteingesessener Familien aus dem Bezirke deren es etwa gegen zwanzig sein werden, reichen auf ihren Anwesen zurück bis in die Agilolsinger Zeit.
Bis jetzt haben in Bayern 615 Bauerngeschlechter den Nachweis erbracht, daß ihre Besitzdauer 200 Jahre überschritten hat. Darunter sind 8 Familien, die mehr als 500, 46 die mehr als 400, 385 die mehr als 300 und 176 Familien, die mehr als 200 Jahre auf ihrem Hofe sitzen und als alteingesessene Familien zu bezeichnen sind.
Es ist ganz gestimmt anzunehmen, daß die Anzahl der Stammhöfe eine noch viel größere wäre, wenn ganz genaue Forschungen in den Archiven und pfarramtlichen Martrikelbüchern angestellt würden:
Ein solcher alter Stammerbhof ist der
Tonibaur in Essenbach.
Essenbach liegt am gleichnamigen Bache und gehört zur Gemeinde Taxa und zur Pfarrei Odelzhausen, früher zur Pfarrei Sulzemoos und ist ein Ort mit einer Kirche, zehn Haus-nummern und zirka 58 Einwohnern. 1022 heißt es Ozinbach, 1180 Ozzenbach, 1374 Össenbach und war eine Siedlung am Bache von „Ozin“´.
Die heutige Aussprache nennt den Ort Eässabo. Der Geschichtsschreiber Apian, 14. Sept. 1531 zu Ingolstadt geboren, welcher unter Herzog Albrecht V. das ganze Gebiet von Ober- und Niederbayern beschrieb, berichtet hierüber folgendes:
„Infra hanc Essenbach rivus e regionem pagi Sittenbach in Gelonium exit. Essenbach pag. et templum, ad eiusdem rivi siustram partem situs.“
Das heißt zu Deusch
„Unterhalb mündet der Essenbach, Richtung Sittenbach in die Glonn. Kirche und Dorf Essenbach sind zur linken Seite des nämlichen Baches gelegen“
So wie es einen Hansbaur, einen Hiasbaur, Peterbaur, Wastlbaur, Seppenbaur, Görglbaur, Simabaur, Veitbaur, Michlbaur und einen Steffenbaur gibt, so gibt es eben auch einen Tonibaur. Ein Urvorfahr hieß eben Anton, und von da an war der Hof der Tonibauer.
Auch Namen haben ihre Geschichte. Kein Name ist so vielgestaltig wie der Name „Mayr“. Anno 808, am 15. August, beging man in Wiedenzhausen, damals „Winimuntshusir“ geheißen, das Fest der ersten Kirchweih. Bischof Otto von Freising nahm in eigener Person das der neuen Basilika gespendete Gut entgegen und sein Schreiber vermerkte alles auf Pergament und als Zeugen folgende Männer der Ortschaft: Ekihard, Hodolt, Edilo, Gipicho, Lungar (bedeutet der „Schnelle“). 500 Jahre später wird aus diesem Lungar ein „Lunglmeyr“. Der südbayerische Boden dürfte der bestimmende Teil des weitverbreiteten Namens Mair gewesen sein. Nicht überall in deutschen Landen hat der Name Mayr eine solch vielseitige Entwicklung mitgemacht.
Wie die geschichtliche Entwicklung zeigt, handelt es sich um einen urbäuerlichen Namen, der für den Träger eine Art Auszeichnung bedeutet. Ursprünglich kam der Name „Mair“ nur einem Großbauern oder dem Üachter eines vollen oder ganzen Hofes zu. In den altbayerischen Abstufungen des Besitzes folgten den „Meiern“ die „Huber“ auf den halben Höfen, die „Lechner“ auf den Viertel- und die „Söldner“ auf den Achtelhöfen. Für die Mayr in einem Dorfe gab es andere Möglichkeiten der Unterscheidung voneinander. Kamen Höhenlagen in Frage, so schrieb man Ober-, Mitter oder Niedermayr, dann auch von Berg- und Tahlmayern, lag das Anwesen am Bach, hieß es Bach-, Steg- Stiegl- oder Brücklmayr, auch nach der Himmelsrichtung wurden sie benannt, da gab es einen Oster- Wester- oder Südmayr. Auch nach den Holzarten wurden sie unterschieden, vermutlich danach, welche Holzart in den betreffenden Waldungen anzutreffen war. So entstanden die Feichtmayer und Tannmayer. Und so gäbe es noch manche besondere Kennzeichnung. Dabei spielt die Schreibart ob Mair, Mayr, Meier, Maier, Mayer usw. keine Rolle.
Vom Jahre 1684 waren nachweisbar die „Arnold“ Besitzer des Tonibauernhofes. Im Jahre 1684, am 26. November, wird eine Trauung von Mathias Arnold von Schillhofen, Pfarrei Röhrmoos, mit Maria Wallerin vermerkt. Weiter kommen dann in den Urkunden als Besitzer des Hofes ein Anton, Josef und ein Michael Arnold vor. Ein Heiratsbrief vom 17. August 1750 berichtet: „Im Namen der allerheiligsten Dreifaltigkeit, Gottes Vaters, Sohnes und heiligen Geistes Amen! bekennt sich zu der tugendsamen Katharin Gistlin zu Guggenberg der Ehrbare Antoni als auch Ehrbare Josef Arnold, Thonipaur zu Essenbach und Katharina, dessen Eheweib, beide noch im Leben, ehelich erzeugter Sohn hierin Verheirate und demselben zu einer recht wahren Heiratsguth zuzubringen: und vielmehr Grund obiger Vater Josef Arnold herzugeben versprochen zu haben benanntes Angebot, Sechshundert Gulden Rheinischer Münz, woran fünfhundert Gulden bereits paar erlegt worden.“ Es folgen dann noch weitere Abmachungen, welche die landesüblichen Gesetze betreffen. Dann wird in dem Heiratsbrief bestätigt: „daß am 26. Februari 1752, Catharina Arnolden, Lenzbäuerin in Guggenberg, 500 Gulden unter Beisein ihres Ehemannes abzuschreiben bekennt.“ Die beiderseitigen Zeugen waren: Matthias Pöck zu Weikertshofen. Sebastian Arnold von Guggenberg, Andreas Rottensteiner von Fußberg und Mathias Gistl von Sulzemoos.
Als letzter der „Arnold“ starb Michael Arnold im Jahre 1771 und hinterließ eine Witwe mit sechs Kindern, Helene 12 Jahre alt, Maria 9, Anna 6, Afra 5, Theresia3, und Katharina 2 Jahre alt, deren Vormundschaftsbrief unter dem hochgräflichen „Minuci“ Hofmarchgericht Odelzhausen im Beisein der Witwe Maria Arnoldin sowie des Mathias Baumann, Bauer zu Hadersried ausgestellt wurde.
Durch die Verhältnisse gezwungen sah sich die Witwe genötigt, sich wieder zu verehelichen, und so schloß sie noch im gleichen Jahre den zweiten Bund fürs Leben. Das Trauungsbuch der Pfarrei Sulzemoos berichtet darüber:
Am 19. November 1771 verheiratete sich Johann Obermayr, Sohn des Petrus Obermayr von Roßbach mit der Bauerswitwe Maria Arnoldin von Essenbach. Von diesem Tage an bis heute ist in ununterbrochener Reihenfolge immer ein „Johann Obermayr“ Besitzer des Tonibauernhofes gewesen. Ein „Frenstifts-Brief“ vom Kloster Indersdorf unter dem Prälaten Aquillinus II. aus dem Jahre 1773 besagt, daß Johann Obermayr über die Zugehörigkeit und Abgabenpflicht eines von Michael Arnold zugekauften „Sechstel Gütl“ (Verkäufer Mathias Schalk) verpflichtet wurde. (Im Besitze der Familie Obermayr befinden sich viele, sehr alte Urkunden mit zum Teil sehr wertvollen Sigmen). Der Hof selber gehörte zur „Hofmarch Odelzhausen“.
Nach 35 Jahren übergab Johann Obermayr den Hof seinem Sohne Johann Obermayr, welcher im Jahre 1806 die Halbbauerntochter vom Steffelbauern zu Stumpfenbach Magdalena Reiner als Bäuerin heimführte. Im Heiratsbrief, der in Duplo ausgeführt wurde, steht folgender Zeugenvermerk: Unter hochwohlgeboren Herren Graf von Minuci auf Odelz- und Adelshausen, dann Großinzemoos, sowie auch Englerts- und Diepoltshofen, königlicher Majestät von Bayern Kammerer, General-Lieutnant der Kavallerie und Inhaber des 1. Dragoner-Regiments, dann des schwedischen Schwertordens und des hohen Johanitter-Ordens-Ritter sind Siegelzeugen gewesen: Georg Widmann Schäffler zu Odelzhausen, Johann Mayr, ganzer Bauer zu Sittenbach.
Am 22. Oktober 1850 wurde Johann Obermayr Sohn des oben Genannten, welcher am 8. Juni 1822 geboren war und 38 Jahre zählte, mit Veronika Haas von Unterbachern getraut, welche am 15. Januar 1826 geboren war und am 3. April 1854 nach kurzer Ehe starb. Als zweite Ehefrau kam Magdalena Merkl, Bauerstochter von Wagenhofen auf den Tonibauernhof, die am 9. Juli 1825 geboren war.
Magdalena Merkl aus Wagenhofen (1825-1915)
Johann Obermair geb. 1862
Nach 42 Jahren, am 6. September 1892, heiratete der am 13. August 1862 geborene Sohn Johann Obermayr die Bauerntochter Theresia Hartl von Thal, Pfarrei Kreuzholzhausen (jetzt Pfarrei Einsbach), die am 5. Februar 1869 geboren und am 7. August 1904 nach glücklicher Ehe unter Hinterlassung von 7 Kindern starb.
Franz Xaver Hartl (Vater von Therese Hartl)
Therese Hartl aus Thal geb. 1869
Appolonia Hartl (Mutter von Therese Hartl)
Der Witwer führte mit seiner Schwester das Anwesen noch mehrere Jahre weiter, bis er es seinem Sohne Johann Übergab, der am 25. Juli 1925 mit der Bauerntochter Anna Fischer von Oberhandenzhofen den Bund fürs Leben schloß.
Familie Obermair im Jahre 1936
vlnr. Resi, Johann Obermair, Johann jun., Josef, Sofie, Anna Obermair, Anni
Johann Obermayr sen. wurde 74 Jahre alt und starb am 8. Februar 1936. Wie sehr die Familie Obermayr Achtu ng und Vertrauen in der ganzen Gemeinde genießt, zeigte die Wahl des Toten zum seinerzeitigen Bürgermeister der Gemeinde Taxa, ein Amt, das er mehrere Jahrzehnte inne hatte.
Nachdem er infolge seiner fortgeschrittenen Jahre eine Wiederwahl abgelehnt hatte, wurde sein Sohn und derzeitiger Besitzer des Tonibauernhofes zum Bürgermeister gewählt und verwaltet seither dieses Amt bis auf unsere Tage geschätzt und beliebt bei allen Gemeindeangehörigen.
Als Vertreter des Bauernstandes wurde er seinerzeit in die Bezirksbauernkammer Dachau berufen, in der er bis zu deren Auflösung zum Besten des Bauernstandes, soweit dies damals möglich war, mitarbeitete. Auch gilt neben seiner vielen Arbeit als Bürgermeister sein Wirken für die Allgemeinheit und vor allem dem Bauernstande, der in ihm einen mannhaften Vertreter besitzt.
Daneben gilt es aber auch den eigenen Besitz tatkräftig zu bewirtschaften und unter Mithilfe seiner fleißigen Bäuerin und unter Benützung der neuzeitlichen Erkenntnisse in der Landwirtschaft bewirtschaftet er den Tonibauernhof als Glied in einer langen Geschlechterreihe vorbildlich.
So hat jede Familie ihre eigene Geschichte, und es ist begrüßenswert, daß in der heutigen Zeit, im neuen Reiche Heimat-und Familiengeschichte so gefördert und unterstützt wird.
Seine Heimat kennt meistens der nicht der sie hat;
Er lernte sie erst kennen, wenn er sie verloren!
Heimat, Heimat, ewige liebe, oh wie einzig schön bist du!
Das wäre in kurzen Umrissen die Geschichte der Familie Obermayr von Essenbach. Wohl sind die Urahnen und Ahnen schon längst im Grabe vermodert, doch so manches ist aus ihrer Zeit geblieben. Ehrfurcht soll uns erfüllen, wenn wir in Schritften und alten Urkunden die alten Schriftzeichen der Vorfahren lesen, Ehrfurcht, wenn wir von ihrer Geschichte erzählen hören, sie, die einst noch den Predigten des berühmten Kanzelredners P. Araham a Santa Clara im Kloster Taxa lauschten, über dessen Kloster heute längst der Pflugschar des Bauern geht